Der erste Trolleybus der
Welt verkehrte auf einer 540 Meter langen Versuchsstrecke in Berlin und wurde
als Prototyp 1882 von Siemens erbaut. Der Versuchsbetrieb dauerte nur sechs
Wochen und die Infrastruktur der Strecke, im Wesentlichen die Oberleitung und
der Gleichrichter, wurde noch im gleichen Jahr wieder vollständig abgebaut. Der
„Trolleybus“ war ein mit zwei 2.2 kW starken Gleichstrommotoren ausgerüsteter
Kutschenwagen mit eisenbeschlagenen Holzrädern. Die Antriebsenergie bezog das
Fahrzeug aus einem achträderigen Kontaktwagen, welcher auf der Fahrleitung fuhr
und durch die Kutsche an einem Kabel nachgezogen wurde. Dieser Kontaktwagen
wurde als „Trolley“ bezeichnet, woraus sich später auch der Systemname
„Trolleybus“ ableitete. Nächste Versuche fanden 1887 in Boston (USA) und 1895
in Dijon (Frankreich) statt. Einer grösseren Öffentlichkeit wurde die neue Technik
an der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 präsentiert. Etwa zwanzig Jahre
später trat der Trolleybus dank grossen Fortschritten sowohl im Fahrzeugbau,
als auch in der Elektrotechnik, und den gegenüber dem Tram kleineren
Investitionen in die Infrastruktur, sowie den billigeren Betriebs- und
Unterhaltskosten zu seinem weltweiten Siegeszug an. Zu dieser Zeit war der
Verbrennungsmotor für den Antrieb von schweren Fahrzeugen noch zu wenig
leistungsfähig und es mangelte ihm an Zuverlässigkeit.
Auffallend sind die
länderweise wellenförmigen Entwicklungsschübe des Systems. So wurden z.B. in
Grossbritannien in den 1910er Jahren in vielen kleinen und mittleren Städten
der Trolleybus eingeführt, während die grösseren Städte erst in einer zweiten
und dritten Welle Mitte der 1920er und wiederum Mitte der 1930er Jahre folgten.
Die späteren zwei Wellen in den grossen Städten sind stark mit dem jeweiligen
Unterhaltszustand der Traminfrastruktur und Fahrzeuge und der allmählichen
Zunahme des privaten Automobilverkehrs korreliert, während in den kleineren
Städten vor der Einführung des Trolleybusses noch gar kein öV-System moderner
Prägung bestanden haben dürfte.
London Transport stellt in
den Jahren 1935 bis 1937 ebenfalls eine Vielzahl von (Überland-) Tramlinien auf
Trolleybusbetrieb um. Für die Fahrgäste ist diese Umstellung ein
Qualitätssprung, da die alten, hart gefederten Tramvehikel, welche auf schlecht
unterhaltenen und entsprechend holprigen Gleisen verkehrten, durch moderne und
bequeme Busse ersetzt wurden. Durch die zusätzliche seitliche Flexibilität des
Busses konnte die Zuverlässigkeit der Bedienung auf den teilweise engen
Strassen der alten Dorfdurchfahrten ebenfalls gesteigert werden. Die damals in
Betrieb genommenen Trolleybusse zeigten hinsichtlich Fahrgastkapazität und
Beschleunigung bereits eine erstaunliche Leistungsfähigkeit, welche vom
Dieselantrieb erst 25 Jahre später mit den mittlerweile weltbekannten
„Roadmaster“ erreicht werden konnte. Deren verbreitete Einführung ab 1959,
sowie die staatliche Neuordnung des Elektrizitätsmarktes unter Verbot der
eigenen Energieerzeugung durch Verkehrsbetriebe und der massiv gesunkene
Ölpreis nach dem Krieg brachte dann auch den vollständigen Niedergang des
elektrischen Busbetriebs in London und wenig später, wegen den nicht mehr vorhandenen
Stückzahlen für wirtschaftliche Neubestellungen, in ganz Grossbritannien.
Seit kurzem wird unter dem
Slogan „Trolleycoaches – Attractive, green transport at a fraction of light
rail costs“, also für den Trolleybus als ein umweltfreundliches und billiges
Verkehrsmittel geworben. Eine Wiedereinführung des Systems wird für Greenwich
und Ostlondon angestrebt. Die Promotoren haben eine detaillierte Kostenrechnung
für eine isolierte 10 km lange Route (ohne Netzwirkung) mit einer
Spitzenbelastung von 1600 Pers./h angestellt. In die Berechnung sind die
folgenden Faktoren miteingeflossen:
•
Charakteristik Fahrzeug
und Linie
•
Investitionskosten
Fahrzeug
•
Investitionskosten
Infrastruktur
•
Unterhaltskosten Infrastruktur
•
Unterhaltskosten
Fahrzeug
•
Personalkosten
•
Energiekosten
•
Depotkosten
Die Autoren sind zum
Schluss gekommen, dass zwar beim Trolleybussystem leicht höhere jährliche
Kosten von rund 2 % gegenüber Dieselbussen anfallen, diese jedoch durch
Mehrerträge in der Grössenordnung von 12.5 % kompensiert werden. Sie erklären
dies durch die gestiegene Attraktivität der Linie dank den neuen Fahrzeugen und
der höheren Durchschnittsgeschwindigkeit von 19 km/h gegenüber 10 km/h beim
konventionellen Dieselbus. Um jedoch eine derart hohe Systemgeschwindigkeit
erreichen zu können, muss der Trolleybus zwingend auf einem Grossteil der
Strecke über ein Eigentrassee verfügen.
Weiter gehen die Autoren
davon aus, dass der Trolleybus, da wegen der höheren Systemgeschwindigkeit
weniger Fahrzeuge auf der Strecke benötigt werden, geringere Personal-,
Kapital-, Unterhalts- und Depotkosten verursacht.
Wird die höhere
Systemgeschwindigkeit aussen vor gelassen, sieht der Kostenvergleich für den
Trolleybus weniger vorteilhaft aus. Anzumerken ist jedoch, dass in dieser
Berechung einer der Hauptvorteile des Trolleybusses, nämlich die geringen
Umweltkosten keine Berücksichtigung fand.
In Deutschland und
Frankreich ist in den 1940er und 1950er Jahren ebenfalls eine Entwicklung weg
vom schienengebundenen Nahverkehr hin zur individuellen Mobilität auf der
Strasse zu erkennen, wobei nach dem Krieg die sehr rasche Verdrängung des Trams
aus den Städten von der Automobillobby geradezu fanatisch verfolgt und
dementsprechend die Umstellung vom Tram- auf den Trolleybusbetrieb als grosser
Sieg der modernen Technik gefeiert wurde. Der elektrisch angetriebene
Trolleybus gelangte hier vor allem wegen des immer noch unzureichenden
Leistungsgewichts und der mangelnden Zuverlässigkeit des Dieselantriebs zur
Anwendung. Ein weiterer Grund für die Wahl des elektrischen Antriebs dürften
auch die noch nicht abgeschriebenen Investitionen in die Gleichstromversorgung
und Werkstättenbetriebe der ehemaligen Trambetriebe gewesen sein. Hingegen darf
angenommen werden, dass die positiven Umweltaspekte des Trolleybusses noch
weitgehend unberücksichtigt blieben.
Bei den meisten
Verkehrsbetrieben allerdings verkehrten nach dem Krieg nur gerade eine bis zwei
Fahrzeuggenerationen. Während Fahrzeugerneuerungen gegen Ende der
Wirtschaftswunderzeit meistens noch relativ problemlos finanziert werden
konnten, waren dann bei der zur Erneuerung anstehenden nächsten Generation etwa
zeitgleich auch die Fahrleitungsanlagen und die Gleichrichter ersatzbedürftig,
was das Budget der meisten Verkehrsbetriebe bei weitem überstieg. Die
öffentliche Hand hatte das Interesse an den Förderung des öffentlichen
Nahverkehrs, welcher ohnehin nur noch den vier „A’s“ (Alte, Auszubildende,
Ausländer und Arbeitslose) diente, weitgehend verloren. So wurden bei den
damals zahlreichen Strassenumbauten und -verbreiterungen die Trolleybusfahrleitungen
nicht immer den neuen Verhältnissen angepasst und dieser Linienabschnitt dann
einfach auf Dieselbetrieb umgestellt. Ebenfalls konnte der Trolleybus mit dem
teilweise sehr schnellen Flächenwachstum der Städte nicht immer mithalten.
Überall, wo aus verkehrstechnischer Sicht eine Linienverlängerung in ein neues
Aussenquartier nötig wurde, hatte und hat der bestehende Trolleybus wegen der benötigten
Fahrleitungsinfrastruktur einen schweren Stand. So nahmen schliesslich die
Fahrleitungslängen bis in die 1970er Jahre schleichend ab. Gleichzeitig wurden
von der Industrie in der Entwicklung des Dieselautobusses markante Fortschritte
erzielt und dank Massenfertigung konnten die neuen Dieselbusse zu wesentlich
günstigeren Preisen angeboten werden, während die Trolleybusse trotz
Standardisierungsversuchen immer Spezialentwicklungen blieben. Die vollständige
Umstellung der verbliebenen Linien auf Dieselbetrieb drängte sich in der
Mehrheit der Fälle wegen den hohen Fixkosten eines Mehrsystembetriebs aus
wirtschaftlichen Überlegungen auf. Der Trolleybus konnte sich in diesen beiden
Ländern nur noch in ganz wenigen Städten, deren Flächenwachstum in eine oder
mehrere Richtungen durch geografische Begebenheiten begrenzt war oder die im
Innenstadtbereich keine grundlegenden Umstrukturierungen des Verkehrsflusses
vornahmen, halten. Solche Städte liegen naturgemäss in eher coupiertem Gelände,
wo der Trolleybus dank der elektrischen Traktion dem Dieselbus nach wie vor
überlegen ist.
In Frankreich kommt hinzu,
dass unter dem Eindruck der Ölkrise von 1973 ein Programm zur Stärkung der
Unabhängigkeit der Landesversorgung gestartet wurde, worin neben dem Bau von weiteren
Atomkraftwerken auch die Förderung von elektrisch betriebenen
Nahverkehrsmitteln enthalten war. Dadurch konnten z.B. die Trolleybusnetze in
Lyon, St. Etienne, Marseille und Grenoble gerettet und in Nancy ein neues Netz
aufgebaut werden. Für den Einsatz von Trolleybussen wurden in diesem Programm
folgende Kriterien definiert:
•
Linien mit grossem
Verkehrsvolumen und Taktfolgezeiten kleiner 12 Minuten
•
Linien mit
unverändertem, stabilem Trassee
•
Linien, welche durch
das Stadtzentrum, Fussgängerzonen und allgemein durch stark bewohnte Viertel
führen, wo sich der geräuscharme und abgasfreie Trolleybus besser integriert,
als der Dieselbus
•
steigungsreiche Linien
Kurz nach Lancierung des
Programms allerdings mussten die Verkehrsbetrieb Grenoble feststellen, dass die
Betriebskosten des Trolleybusses pro Kilometer und Fahrzeug 5 % über denjenigen
des Autobusses lagen, unter Einbezug der Infrastruktur ergaben sich sogar
Mehrkosten von 9 %. In Grenoble wurde in der Folge der Aufbau eines modernen
Tramnetzes vorangetrieben und die letzten Trolleybusse verschwanden 1999. Auch
die drei Duobuslinien in Nancy wurden im Jahre 2000 bei einer Umstrukturierung
des Liniennetzes eingestellt. Gleichzeitig nahm aber das „Tram sur pneu“ von
Bombardier auf einem ersten Abschnitt den Versuchsbetrieb auf. Es handelt sich
dabei um einen an einer Mittelschiene geführten, 25 Meter langen Trolleybus.
Zum Einsatz kommen Doppelgelenkfahrzeuge. Diese Mischform aus Tram und
Trolleybus wurde gewählt, weil auf den geplanten Strecken teilweise sehr starke
Steigungen von bis zu 130 ‰ zu bewältigen sind, wozu sich die Lösung „Gummi auf
Asphalt“ anerbot, hingegen wollte man auf den Abschnitten mit Eigentrassee
nicht auf die erhöhte Leistungsfähigkeit von spurgeführten Fahrzeugen
verzichten. Die gesamte Linie T1 (12 km) wurde schliesslich 2002 eröffnet. Das
gesamte Liniennetz wurde abermals überarbeitet und ganz auf die zentrale
Ost-West-Achse T1, auf welcher sich tagsüber die Fahrzeuge im 5 Min-Takt
folgen, ausgerichtet. An sieben, zentralen Umsteigepunkten entlang der Linie T1
kann auf radiale (Zubringer-)Buslinien umgestiegen werden. Die Struktur des
öV-Angebots der Stadt wird dadurch sehr einfach und übersichtlich. Durch die
abschnittsweise Eigentrassierung konnte zudem die Fahrzeit auf der Linie T1 markant
gesenkt werden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt dabei beachtliche 18.9
km/h. Trotzdem scheint die Realisierung der weiter geplanten Linien T2 und T3
zur Zeit wegen Finanzierungsschwierigkeiten eher unwahrscheinlich.
Ein ähnliches, spurgeführtes
Trolleybussystem wird derzeit in Clermont-Ferrand in Betrieb genommen.
Etwas anders verlief die
Entwicklung in den osteuropäischen und asiatischen Ländern. Angetrieben durch
die relativ hohen Kosten und teilweise auch mangelnde Verfügbarkeit von
Mineralölprodukten in diesen Ländern, wurden elektrisch angetriebene Nahverkehrsmittel
klar bevorzugt. Diese konnten mit Strom aus billig verfügbarer Kohle betrieben
werden. Während anfänglich für die Erschliessung der in der Blütezeit des
Kommunismus neu errichteten Quartiere und Satellitenstädte fast ausschliesslich
auf Trambahnen, häufig auch im Eigentrassee, gesetzt wurde, fand ab den
siebziger Jahren das System Trolleybus, wohl im Zuge der nicht mehr
uneingeschränkt verfügbaren Finanzmittel, zuerst in Russland und etwas
verzögert auch in den kommunistischen Bruderstaaten grosse Verbreitung. Die
Konkurrenz der öffentlichen Verkehrsmittel durch das eigene Automobil war lange
Zeit überhaupt kein Thema und beginnt sich erst seit der Wende zu manifestieren.
Auswirkungen auf den Verkehrssystemmix in den Städten sind in Ermangelung
irgendwelcher staatlichen Investitionen in den letzten fünfzehn Jahren noch
nicht absehbar.
Auf dem amerikanischen
Kontinent hat der Trolleybus in einigen wenigen Städten überlebt. So z.B. im
traditionell umweltfreundlichen Nordwesten, wo Trolleybussysteme in den Städten
Seattle (USA) und Vancouver (CA) bestehen. Vancouver hat sich im Jahre 2004
entschieden, seine gesamte aus den 1980er Jahren stammende 244 Einheiten
zählende Trolleybusflotte mit modernen Niederflurfahrzeugen von Flyer
Industries und Kiepe/Vossloh zu erneuern. Folgende Punkte wurden dabei
angeführt:
•
bestehende
Infrastruktur (Fahrleitung, Unterwerke) im Wert von $ 180 Mio. (Neubau:
Zweirichtigungsfahrleitung pro km mit üblichen Weichen und Kreuzungen $ 1 Mio.)
•
Energieeffizienz: 12
m-Trolleybus verbraucht 9.84 MJ (oder 2.7 kWh pro km), im Vergleich zu 24.1 MJ
eines 12 m-Dieselbusses
•
Strom aus Wasserkraft
ist ein erneuerbarer Energieträger
•
abgasfreie Busse wirken
sich positiv auf die Luftqualität (NOx, CO und Feinstaub) von vielbefahrenen
Korridoren aus. Gesundheitskosten pro Tonne Schadstoffe werden von
TransLink auf $ 75'000 geschätzt. Das ergibt mit Trolleybussen Einsparungen von
$ 2.2 Mio. gegenüber konventionellen und $ 1.2 Mio. gegenüber sauberen
Dieselbussen pro Mio. gefahrener Kilometer.
•
CO2-Ausstoss
je nach Art der Stromerzeugung geringer
•
Der Trolleybus ist
22-25 dB leiser als ein Dieselbus.
•
Trolleybusse haben ein
positives Image und werden von den Leuten mit einer höheren öV-Servicequalität
gleichgesetzt. Zahlen aus San Francisco zeigen eine 18 % Steigerung des Fahrgastaufkommens
auf einer Linie nach deren Umstellung auf Trolleybusbetrieb.
•
28 % höhere
Betriebskosten, fast 50 % höhere Anschaffungskosten
•
Unabhängigkeit der
Energiekosten von den Schwankungen des Ölmarkts
•
Alternativen wie
Gasbusse und Hybridbusse (Diesel-Elektro) weisen zwar einen um 30 % geringeren
Schadstoffausstoss als konventionelle Dieselbusse auf, trotzdem ist der
Trolleybus mit „zero emission“ vor Ort überlegen.
Aktuelle Übersicht Schweizer Trolleybusbetriebe (pdf-File)
Auch in der Schweiz wurde
in den 1950er und 60er Jahren in vielen Städten das Tram zugunsten des Bus- und/oder
Trolleybusbetriebs aufgeben. Die Gründe sind, ganz ähnlich wie in Deutschland
und Frankreich, einerseits bei dem nach dem Krieg überproportional stark
wachsenden motorisierten Individualverkehr, welcher die knappen Verkehrsflächen
in den Städten in immer grösserem Masse zu beanspruchen beginnt, andererseits
im Erneuerungsbedarf der durchschnittlich fünfzigjährigen Traminfrastruktur
(Schienen, elektrische Ausrüstung, Fahrzeuge und Depotanlagen) zu suchen. Der
Trolleybus kann flexibler auf Behinderungen im Strassenraum und an Knoten
reagieren und das zeitgemässe Erscheinungsbild der Busse wirkte gegenüber den
dreissig bis vierzigjährigen blechverschalten Holzkisten durchaus attraktiv.
Teilweise haben sich auch die Verkehrsströme zwischen 1900 und 1950 derart
verändert, dass auf den bestehenden alten Tramlinien schlicht am Markt vorbei
produziert wurde. In Fribourg z.B. wurde zwar Anfang der 1950er Jahre eine Erneuerung
der Gleise auf dem ältesten Streckenabschnitt vorgenommen, da diese Arbeiten
aber mangelhaft ausgeführt wurden, stand Ende der 1950er Jahre das gesamte
Streckennetz und der mehrheitlich veraltete Fuhrpark zur Erneuerung an.
Gleichzeitig wurden neu entstandene Quartiere durch das Tram nur mangelhaft
oder gar nicht erschlossen. Durch die Umstellung auf Trolleybus konnte das Netz
den veränderten Bedürfnissen leichter angepasst und bestehende Infrastruktur
wie das Tramdepot in Pérolles weiterverwendet werden. Anders als in Deutschland
wurde das System Trolleybus in der Schweiz trotz grossen Fortschritten bei den
Dieselbussen über mehrere Fahrzeuggenerationen beibehalten und teilweise sogar
ausgebaut. Verschiedene Gründe können dafür verantwortlich gemacht werden:
Viele Schweizer Städte liegen in coupiertem Gelände. Für die entsprechenden
„Berglinien“ (z.B. VBZ Linie 34) waren Dieselgelenkbusse eigentlich bis zur
letzten Generation (Mercedes Citaro, Neoplan Centroliner) wegen der zu
schwachen Motorisierung nicht zu gebrauchen. Die Entwicklung in Zürich und
Basel ist hingegen nicht vom Tramersatz, sondern vielmehr von der Ergänzung des Netzes mit Tangentiallinien getragen. 1939 verkehrte in Zürich der erste Trolleybus, bis 1950 wuchs das Netz auf drei Trolleybuslinien A, B und C mit einer Gesamtlänge von 12.3 km an. Sie ersetzten die drei nachfragestärksten Autobuslinien jener Zeit und halfen den Betrieb mit modernen Grossraumwagen rationeller und schneller abzuwickeln.
•
Linie A:
Albisriederplatz - Kirche Fluntern (heute Teil der Linie 33)
•
Linie B: Utohof -
Bucheggplatz (heute Teil der Linie 32)
•
Linie C: Klusplatz -
Witikon (heute Teil der Linie 34)
Von 1955 bis 1958 wurde in
mehreren Etappen auf der ehemaligen Tramlinie 1 und der Überlandtramlinie nach
Schlieren der durchgehende Trolleybusbetrieb Burgwies - Schlieren eingeführt,
nachdem der Trambetrieb Anfang der 1950er aufgegeben wurde. Bis in die 1970er
Jahre gab es nur noch kleine Anpassungen. Mit dem Aufkommen von
Umweltschutzüberlegungen bewilligte dann aber die Stadt 1972 die Umstellung von
drei wichtigen Autobuslinien 62 (Schwamendingerplatz - Neu Affoltern), 73
(Albisriederplatz - Morgental) und 74 (Bucheggplatz - Furttal) auf
Trolleybusbetrieb. Getrieben durch den Ölschock von 1973 wurde deren Realisierung
schnell an die Hand genommen, so dass die elektrische Traktion auf den Linien
73 (als Teil der Linie 33) und 74 bereits im Jahre 1975 eingeführt werden
konnte. Technische Probleme an der Fahrleitungskreuzung zwischen dem
SBB-Wechselstrom und dem Trolleybusgleichstrom in Neu-Affoltern verhinderten
die Umstellung der Linie 62. Weitere Ausbauten erfuhr das VBZ-Trolleybusnetz in
den 1980er und 90er Jahren mit der Umstellung der Linien 46 (Hauptbahnhof -
Rütihof) und 72 (Milchbuck – Triemli) und der Verlängerung der Linie 33 zum
Bhf. Tiefenbrunnen.
Der öffentliche Verkehr
weist in der Schweiz ein ausgesprochen positives Image auf. Dabei spielt dessen
Umweltfreundlichkeit eine entscheidende Rolle. Entsprechend gut passen
Trolleybusse in dieses Bild, da sie sowohl leise und komfortabel, als auch
absolut abgasfrei unterwegs sind. Auf den meist sehr nachfragestarken Linien
macht sich gleichzeitig die gute Beschleunigung trotz voll besetztem und
dementsprechend schwerem Fahrzeug besonders positiv bemerkbar. Anhand der VBZ
Linie 46 (ehem. Dieselbuslinie 71) lassen sich die drei letzt genannten Punkte
exemplarisch aufzeigen. Die Linie verbindet, als zweite Radiale neben der
Tramlinie 13, das höher gelegene Höngg schnell und bequem mit dem Stadtzentrum,
dabei benutzt sie aber zwischen der Nordstrasse und dem Meierhofplatz eine
steigungsreiche und enge, dafür aber direkt verlaufende Wohnstrasse. Mit der
Umstellung auf Trolleybusbetrieb konnte die Wohnqualität entlang der Route
deutlich gesteigert und die Fahrzeit in die Innenstadt leicht gekürzt werden.
In der neueren Zeit kommen
weitere Aspekte hinzu. So lässt sich das Verkehrsmittel Trolleybus relativ gut
vermarkten, denn durch die weit herum sichtbare Oberleitung wird jedem sofort
klar: hier befindet sich eine gut ausgebaute öV-Linie. Dies schafft eine viel
stärkere Verwurzelung in der Bevölkerung als dies eine normale Buslinie, welche
ja nur durch ihre Haltestellen sichtbar wird, je erreichen könnte. Zudem ist
gemäss Befragungen der VBZ das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste in den
Trolleybussen besser als in normalen Bussen, da diese ja durch die Oberleitung
wie ein Tram durch die Schienen geführt würden. In jüngster Zeit so dann rücken
auch die Treibstoffkosten wieder vermehrt ins Blickfeld der Verkehrsbetriebe.
So betonen die VBZ auf ihrer Homepage: „Trolleybusse machen unabhängig von
unkalkulierbaren Rohstoffpreisen (der Preis für ein Barrel Rohöl hat sich
zuletzt verdoppelt; die Steuerbefreiung für Treibstoffe wird ggf. gestrichen;
der Strom in der Schweiz ist hausgemacht und dank hohem Wasserkraftanteil sehr
umweltfreundlich).“ Die höheren Anschaffungskosten werden gemäss VBZ durch die
längere Lebensdauer der Fahrzeuge mehr als kompensiert.
An der aktuellen
politischen Diskussion um die Abschaffung des Trolleybusbetriebs in Basel ist
gut zu erkennen, dass sich dank seines positiven Images weite Bevölkerungskreise
mit „ihrem“ Trolleybus identifizieren und sich für seine Erhaltung einsetzen.
Drei neue technische
Entwicklungen erweitern und verschieben das Einsatzfeld des Trolleybusses stark
in Richtung des Trams. Erst dadurch gelingt auch wieder eine klare Abgrenzung
gegenüber dem Autobus, welcher in den letzten 50 Jahren erhebliche technische
Fortschritte im Bereich der Motorisierung gemacht hat und welcher sich
anschickte dem Trolleybus als eigenständiges Verkehrsmittel immer mehr den Rang
abzulaufen.
Durch die Verlängerung des
Busses mittels der Einführung eines zusätzlichen Mittelteils mit eigener Achse
und Gelenk wird versucht, das Fassungsvermögen des Busses demjenigen eines
Trams anzunähern. Die 24 Meter langen Doppelgelenktrolleybusse lighTram
von Hess/ Kiepe, welche in Genève zur Zeit in Ablieferung stehen und für Zürich bestellt sind, bieten 62 Sitzplätze und 138 Stehplätze. Zum Vergleich: das VBZ
Cobra hat 96 Sitzplätze und 142 Stehplätze. Der Doppelgelenktrolleybus erreicht
somit schon fast die Kapazität eines modernen Niederflurtrams. Dank der
lenkbaren hintersten Achse verhält sich der dritte Teil gegenüber dem zweiten
weitgehend spurtreu und der Einsatz im Stadtgebiet erfährt gegenüber dem
normalen Gelenk(trolley)bus in keiner Weise zusätzliche Einschränkungen.
Die VBZ beabsichtigen
zukünftig auf der Linie 31 Doppelgelenktrolleybusse einzusetzen. Auf dieser
Linie rechnen die VBZ in naher Zukunft mit täglich 38'500 Fahrgästen. Die
Spitzenstundenbelastung liegt heute bei 1000 Personen pro Stunde und Richtung.
Mit 2000 Personen pro Stunden fällt die Linie 31 somit nachfrageseitig genau in
den Marktbereich, welchen Hess und Vossloh/Kiepe mit dem Doppelgelenktrolleybus
abzudecken gedenken. Mit den zweihundertplätzigen Fahrzeugen genügt fortan ein
6 Min-Takt zur Abdeckung der Spitzennachfrage, während mit normalen
Gelenktrolleybussen die Taktdauer auf 4.5 Minuten hätte verkürzt werden müssen.
Bei derart kurzen Taktfolgezeiten steigt natürlich im dichten Stadtverkehr die
Gefahr von Pulkbildungen und entsprechend langen Wartezeiten für die Fahrgäste,
was durch den Einsatz von Doppelgelenktrolleybussen vermieden werden kann.
Eine zweite
Entwicklungstendenz geht in Richtung des vermehrten Einsatzes von Duobussen.
Diese können sowohl mit elektrischer Energie ab Fahrdraht, als auch mit ihrem
zusätzlich eingebauten, leistungsfähigen Dieselmotor auf allen übrigen Strecken
verkehren. Erste Versuche mit diesem Doppelsystem gab es bereits in den frühen
1980er Jahren. Neben den Prototypen in Essen (Duobus, Spurbus) wurde in
Frankreich eine Serie von 64 Duobussen für den Einsatz in den Städten Nancy,
St. Etienne und Grenoble beschafft. In Nancy konnten dank der besseren
Traktionseigenschaften von Duobussen im elektrischen Betrieb auf den drei 1982
neu gebildeten Durchmesserlinien, deren Kernstrecken im Innenstadtbereich (20
von 30 Strecken-km) elektrifiziert waren, im Grundtakt gegenüber dem
Dieselbetrieb fünf Fahrzeuge eingespart werden, was etwa 9 % entspricht.
In den heutigen Fahrzeugen
wird der Antriebsstrang im Gegensatz zu der ersten Fahrzeuggeneration, welche –
bei entsprechendem Gewicht – mit zwei eigenständigen Antrieben ausgerüstet
waren, nicht mehr getrennt geführt, sondern sowohl der vom Dieselmotor
angetriebene Gleichstromgenerator, als auch der aus der Fahrleitung direkt
bezogene Gleichstrom arbeiten beide auf den gleichen Pulsumrichter, welcher
wiederum die Asynchronfahrmotoren speist. Für das Bordnetz der Hilfsbetriebe
steht, wie in jedem modernen Bahnfahrzeug, ein eigener Bordnetzumrichter zur
Verfügung.Solche moderne Duobusse wurden von Hess/ Kiepe kürzlich nach Fribourg (TPF) geliefert. Mit diesen Bussen und automatischen Einbügelstellen wurde es möglich, die Linien unter
Beibehaltung des abgasfreien elektrischen Betriebs im Innenstadtbereich ganz
ohne teuere Infrastrukturanpassungen den veränderten Kundenbedürfnissen
anzupassen und in die Aussenquartiere zu verlängern.
Die dritte Neuerung auf dem
Gebiet der Trolleybusse ist bei der Antriebsausrüstung im Innern der Fahrzeuge zu
finden. Mit der Verbreitung von Asynchronfahrmotoren mit den zugehörigen
Umrichtern bei den Schienenbahnen wurde es auch bei ab Gleichstromfahrleitung
versorgten Fahrzeugen üblich, die beim Bremsen des Fahrzeugs anfallende Energie
zu rekuperieren. Der Trolleybus kann von dieser Neuerung in mehrfacher Hinsicht
profitieren. Einerseits lassen sich die Kosten durch die Verwendung von
standardisierten Umrichterkomponenten senken, andererseits ermöglicht die hohe
Leistungsdichte bei kleinem Einbauvolumen eine Gewichtsreduktion und eine
freizügige, den Fahrgastbedürfnissen angepasste Fahrzeuggestaltung. Schliesslich
verbessert sich durch die Rekuperationsbremse die Umweltbilanz des
Trolleybusses im städtischen Nahverkehr mit vielen Geschwindigkeitswechseln
nochmals ganz erheblich. Für den Fahrgast aber am entscheidensten ist das
völlig ruckfreie Anfahren und Bremsen.
Diese durchwegs positiven
Entwicklungen auf ganz unterschiedlichen Gebieten der Trolleybustechnologie
lassen dessen weitere Verwendung in der Zukunft in einem günstigen Licht
erscheinen. In den letzten Jahren hat sich in mehreren Ländern eine Trendwende
hin zur Erhaltung von Trolleybussystemen und teilweise sogar deren weiteren
Ausbau vollzogen. Zusammen mit Weiterentwicklungen von Zwischenformen zwischen
Tram und Trolleybus, wie das erwähnte lighTram
von Hess, ergeben sich im Stadtverkehr neue Anwendungsmöglichkeiten für
elektrisch betriebene Nahverkehrsmittel, welche auf die jeweiligen Bedürfnisse
der Städte massgeschneidert sind. Neben dem Umweltschutzgedanken (Erhaltung der
Lebensqualität in den Städten) treten heute bei der Entscheidungsfindung auch
die stabilen und gut kalkulierbaren Energiekosten des Trolleybusses immer
stärker in den Vordergrund.
Jüngstes Beispiel für
diese positive Entwicklung ist die italienische Stadt Lecce, welche in Kürze
ein komplett neues Trolleybussystem mit zwei Linien von gesamthaft 17.7 km
Länge in Betrieb nehmen wird.
Trolleybusse kommen
typischerweise in Mittelstädten mit einer Einwohnerzahl zwischen 200'000 und 500'000
Personen zur Anwendung. In den Städten, welche auf den Trolleybus als
Hauptverkehrsmittel setzen, sind auf den wichtigsten Achsen Verkehrsstromstärken
anzutreffen, welche zwar aufgrund der Flächenausdehnung der Städte nach einer
zumindest teilweise eigenen Infrastruktur mit verkürzten Fahrzeiten verlangen,
jedoch für eine vollständige Eigentrassierung mit modernen
Schienennahverkehrsmittel zu schwach sind. Vielfach sind es alte Tramstädte,
welche ihre Traminfrastruktur der ersten Generation nach dem zweiten Weltkrieg
zu Gunsten des Trolleybusses aufgegeben haben. Jedoch finden sich auch viele
Beispiele vor allem in den ehemaligen Ostblockstaaten, wo der Trolleybus in den
späteren Jahren das Tramnetz um weitere Achsen ergänzt hat. Auffällig beim
Ländervergleich sind einerseits die alten Trolleybusbetriebe in Nordamerika und
auf der anderen Seite die relativ jungen in Osteuropa. Während sich der
Trolleybus in Amerika nur in ganz wenigen, vom Umweltschutz überzeugten Städten
des Nordwestens, welche auch bereit waren, mehr Mittel in den öffentlichen
Verkehr zu investieren, halten konnte, wurde er in Osteuropa überall aktiv
gefördert und fand wie z.B. in Bulgarien eine flächendeckende Verbreitung in
allen Städten des Landes. Dadurch konnten natürlich die Stückkosten der
Fahrzeuge und der ganzen Ausrüstung massiv gesenkt werden und zwischen den
einzelnen Verkehrsbetrieben des Landes entstanden durch die einheitliche
Fahrzeugflotte vermehrt Synergien bei der Wartung und Instandhaltung.
In China wurden und werden
Trolleybusse auch in grossen und grössten Städten als Mittenverteiler eingesetzt.
Es ist zweifelhaft, ob in den Megastädten des Reichs der Mitte der Einsatz des
Trolleybusses auf den Hauptlinien noch wesensgerecht ist. Shanghai mit seinen
9'000'000 Einwohnern besitzt zwar seit 1914 ein Trolleybusnetz, hingegen wurde
der Aufbau eines U-Bahnnetzes erst 1995 in Angriff genommen. Da die mangelnde
Leistungsfähigkeit der Trolleybusse auf den fast immer verstopften Strassen als
Problem erkannt wurde, wird nun seit kurzem der Bau eines Tramnetzes zum Ersatz
der Trolleybusse auf den wichtigsten Linien vorangetrieben.
Zusammenfassend können bei
einem Systementscheid die folgenden Einflussgrössen herangezogen werden. Deren
Gewichtung muss aber von Fall zu Fall separat erfolgen und dabei sind die
Gegebenheiten der Stadt oder der Region unbedingt miteinbeziehen.
•
abgasfrei (keine
Schadstoffe, Feinstaub, weniger CO2)
•
weniger Lärm innen und
aussen (bis 22 dB gegenüber Dieselbus)
•
bessere Energiebilanz
(Rekuperation)
•
bessere Traktion
(Beschleunigung, Bergstrecken)
•
ruckfreies Anfahren und
Bremsen dank Umrichtertechnik
•
längere Lebensdauer des
Fahrzeugs
•
gut erkennbare
Linienführung
•
man kann zeigen, dass
man etwas für den öV tut (umweltfreundliches Image, tendenziell höhere
Fahrgastzahlen)
•
Energiekosten
unabhängig vom Ölmarkt
•
Anschaffungskosten
50-60 % höher
•
wenig standartisierte
Konstruktionen, kein Kauf ab der Stange möglich
•
zusätzliche
Infrastruktur erforderlich (Oberleitung und Gleichrichter)
•
komplizierter und
teurer (Mehrkosten von 25-30 %) im Unterhalt
•
langfristige Bindung an
eine bestimmte Linienführung und einen Fahrzeugtyp
•
billiger in Anschaffung
und Unterhalt
•
flexibler im täglichen
Betrieb bei Störungen und Umleitungen (seitliches Ausschwenken +/- 4.5 Meter
und Hilfsdieselmotor)
•
einfachere und billigere
Infrastrukturausbauten (nur Oberleitung)
•
annähernd gleiche
Kapazität des Einzelfahrzeugs (DoppelgelenkTB vs. Cobra)
•
weniger komfortabel
•
nicht kuppelbar
•
Behinderung durch
Strassenverkehr, weniger schnell, sofern keine separate Busspur vorhanden ist.
Text und Bilder © 2006 Salem Blum, ETH Zürich