1             Geschichtlicher Rückblick

1.1          Erste Versuche

Der erste Trolleybus der Welt verkehrte auf einer 540 Meter langen Versuchsstrecke in Berlin und wurde als Prototyp 1882 von Siemens erbaut. Der Versuchsbetrieb dauerte nur sechs Wochen und die Infrastruktur der Strecke, im Wesentlichen die Oberleitung und der Gleichrichter, wurde noch im gleichen Jahr wieder vollständig abgebaut. Der „Trolleybus“ war ein mit zwei 2.2 kW starken Gleichstrommotoren ausgerüsteter Kutschenwagen mit eisenbeschlagenen Holzrädern. Die Antriebsenergie bezog das Fahrzeug aus einem achträderigen Kontaktwagen, welcher auf der Fahrleitung fuhr und durch die Kutsche an einem Kabel nachgezogen wurde. Dieser Kontaktwagen wurde als „Trolley“ bezeichnet, woraus sich später auch der Systemname „Trolleybus“ ableitete. Nächste Versuche fanden 1887 in Boston (USA) und 1895 in Dijon (Frankreich) statt. Einer grösseren Öffentlichkeit wurde die neue Technik an der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 präsentiert. Etwa zwanzig Jahre später trat der Trolleybus dank grossen Fortschritten sowohl im Fahrzeugbau, als auch in der Elektrotechnik, und den gegenüber dem Tram kleineren Investitionen in die Infrastruktur, sowie den billigeren Betriebs- und Unterhaltskosten zu seinem weltweiten Siegeszug an. Zu dieser Zeit war der Verbrennungsmotor für den Antrieb von schweren Fahrzeugen noch zu wenig leistungsfähig und es mangelte ihm an Zuverlässigkeit.

1.2          Weltweite Verbreitung

1.2.1                Grossbritannien

Auffallend sind die länderweise wellenförmigen Entwicklungsschübe des Systems. So wurden z.B. in Grossbritannien in den 1910er Jahren in vielen kleinen und mittleren Städten der Trolleybus eingeführt, während die grösseren Städte erst in einer zweiten und dritten Welle Mitte der 1920er und wiederum Mitte der 1930er Jahre folgten. Die späteren zwei Wellen in den grossen Städten sind stark mit dem jeweiligen Unterhaltszustand der Traminfrastruktur und Fahrzeuge und der allmählichen Zunahme des privaten Automobilverkehrs korreliert, während in den kleineren Städten vor der Einführung des Trolleybusses noch gar kein öV-System moderner Prägung bestanden haben dürfte.

London Transport stellt in den Jahren 1935 bis 1937 ebenfalls eine Vielzahl von (Überland-) Tramlinien auf Trolleybusbetrieb um. Für die Fahrgäste ist diese Umstellung ein Qualitätssprung, da die alten, hart gefederten Tramvehikel, welche auf schlecht unterhaltenen und entsprechend holprigen Gleisen verkehrten, durch moderne und bequeme Busse ersetzt wurden. Durch die zusätzliche seitliche Flexibilität des Busses konnte die Zuverlässigkeit der Bedienung auf den teilweise engen Strassen der alten Dorfdurchfahrten ebenfalls gesteigert werden. Die damals in Betrieb genommenen Trolleybusse zeigten hinsichtlich Fahrgastkapazität und Beschleunigung bereits eine erstaunliche Leistungsfähigkeit, welche vom Dieselantrieb erst 25 Jahre später mit den mittlerweile weltbekannten „Roadmaster“ erreicht werden konnte. Deren verbreitete Einführung ab 1959, sowie die staatliche Neuordnung des Elektrizitätsmarktes unter Verbot der eigenen Energieerzeugung durch Verkehrsbetriebe und der massiv gesunkene Ölpreis nach dem Krieg brachte dann auch den vollständigen Niedergang des elektrischen Busbetriebs in London und wenig später, wegen den nicht mehr vorhandenen Stückzahlen für wirtschaftliche Neubestellungen, in ganz Grossbritannien.

Seit kurzem wird unter dem Slogan „Trolleycoaches – Attractive, green transport at a fraction of light rail costs“, also für den Trolleybus als ein umweltfreundliches und billiges Verkehrsmittel geworben. Eine Wiedereinführung des Systems wird für Greenwich und Ostlondon angestrebt. Die Promotoren haben eine detaillierte Kostenrechnung für eine isolierte 10 km lange Route (ohne Netzwirkung) mit einer Spitzenbelastung von 1600 Pers./h angestellt. In die Berechnung sind die folgenden Faktoren miteingeflossen:

         Charakteristik Fahrzeug und Linie

         Investitionskosten Fahrzeug

         Investitionskosten Infrastruktur

         Unterhaltskosten Infrastruktur

         Unterhaltskosten Fahrzeug

         Personalkosten

         Energiekosten

         Depotkosten

Die Autoren sind zum Schluss gekommen, dass zwar beim Trolleybussystem leicht höhere jährliche Kosten von rund 2 % gegenüber Dieselbussen anfallen, diese jedoch durch Mehrerträge in der Grössenordnung von 12.5 % kompensiert werden. Sie erklären dies durch die gestiegene Attraktivität der Linie dank den neuen Fahrzeugen und der höheren Durchschnittsgeschwindigkeit von 19 km/h gegenüber 10 km/h beim konventionellen Dieselbus. Um jedoch eine derart hohe Systemgeschwindigkeit erreichen zu können, muss der Trolleybus zwingend auf einem Grossteil der Strecke über ein Eigentrassee verfügen.

Weiter gehen die Autoren davon aus, dass der Trolleybus, da wegen der höheren Systemgeschwindigkeit weniger Fahrzeuge auf der Strecke benötigt werden, geringere Personal-, Kapital-, Unterhalts- und Depotkosten verursacht.

Wird die höhere Systemgeschwindigkeit aussen vor gelassen, sieht der Kostenvergleich für den Trolleybus weniger vorteilhaft aus. Anzumerken ist jedoch, dass in dieser Berechung einer der Hauptvorteile des Trolleybusses, nämlich die geringen Umweltkosten keine Berücksichtigung fand.

1.2.2                Deutschland und Frankreich

In Deutschland und Frankreich ist in den 1940er und 1950er Jahren ebenfalls eine Entwicklung weg vom schienengebundenen Nahverkehr hin zur individuellen Mobilität auf der Strasse zu erkennen, wobei nach dem Krieg die sehr rasche Verdrängung des Trams aus den Städten von der Automobillobby geradezu fanatisch verfolgt und dementsprechend die Umstellung vom Tram- auf den Trolleybusbetrieb als grosser Sieg der modernen Technik gefeiert wurde. Der elektrisch angetriebene Trolleybus gelangte hier vor allem wegen des immer noch unzureichenden Leistungsgewichts und der mangelnden Zuverlässigkeit des Dieselantriebs zur Anwendung. Ein weiterer Grund für die Wahl des elektrischen Antriebs dürften auch die noch nicht abgeschriebenen Investitionen in die Gleichstromversorgung und Werkstättenbetriebe der ehemaligen Trambetriebe gewesen sein. Hingegen darf angenommen werden, dass die positiven Umweltaspekte des Trolleybusses noch weitgehend unberücksichtigt blieben.

Bei den meisten Verkehrsbetrieben allerdings verkehrten nach dem Krieg nur gerade eine bis zwei Fahrzeuggenerationen. Während Fahrzeugerneuerungen gegen Ende der Wirtschaftswunderzeit meistens noch relativ problemlos finanziert werden konnten, waren dann bei der zur Erneuerung anstehenden nächsten Generation etwa zeitgleich auch die Fahrleitungsanlagen und die Gleichrichter ersatzbedürftig, was das Budget der meisten Verkehrsbetriebe bei weitem überstieg. Die öffentliche Hand hatte das Interesse an den Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, welcher ohnehin nur noch den vier „A’s“ (Alte, Auszubildende, Ausländer und Arbeitslose) diente, weitgehend verloren. So wurden bei den damals zahlreichen Strassenumbauten und -verbreiterungen die Trolleybusfahrleitungen nicht immer den neuen Verhältnissen angepasst und dieser Linienabschnitt dann einfach auf Dieselbetrieb umgestellt. Ebenfalls konnte der Trolleybus mit dem teilweise sehr schnellen Flächenwachstum der Städte nicht immer mithalten. Überall, wo aus verkehrstechnischer Sicht eine Linienverlängerung in ein neues Aussenquartier nötig wurde, hatte und hat der bestehende Trolleybus wegen der benötigten Fahrleitungsinfrastruktur einen schweren Stand. So nahmen schliesslich die Fahrleitungslängen bis in die 1970er Jahre schleichend ab. Gleichzeitig wurden von der Industrie in der Entwicklung des Dieselautobusses markante Fortschritte erzielt und dank Massenfertigung konnten die neuen Dieselbusse zu wesentlich günstigeren Preisen angeboten werden, während die Trolleybusse trotz Standardisierungsversuchen immer Spezialentwicklungen blieben. Die vollständige Umstellung der verbliebenen Linien auf Dieselbetrieb drängte sich in der Mehrheit der Fälle wegen den hohen Fixkosten eines Mehrsystembetriebs aus wirtschaftlichen Überlegungen auf. Der Trolleybus konnte sich in diesen beiden Ländern nur noch in ganz wenigen Städten, deren Flächenwachstum in eine oder mehrere Richtungen durch geografische Begebenheiten begrenzt war oder die im Innenstadtbereich keine grundlegenden Umstrukturierungen des Verkehrsflusses vornahmen, halten. Solche Städte liegen naturgemäss in eher coupiertem Gelände, wo der Trolleybus dank der elektrischen Traktion dem Dieselbus nach wie vor überlegen ist.

In Frankreich kommt hinzu, dass unter dem Eindruck der Ölkrise von 1973 ein Programm zur Stärkung der Unabhängigkeit der Landesversorgung gestartet wurde, worin neben dem Bau von weiteren Atomkraftwerken auch die Förderung von elektrisch betriebenen Nahverkehrsmitteln enthalten war. Dadurch konnten z.B. die Trolleybusnetze in Lyon, St. Etienne, Marseille und Grenoble gerettet und in Nancy ein neues Netz aufgebaut werden. Für den Einsatz von Trolleybussen wurden in diesem Programm folgende Kriterien definiert:

         Linien mit grossem Verkehrsvolumen und Taktfolgezeiten kleiner 12 Minuten

         Linien mit unverändertem, stabilem Trassee

         Linien, welche durch das Stadtzentrum, Fussgängerzonen und allgemein durch stark bewohnte Viertel führen, wo sich der geräuscharme und abgasfreie Trolleybus besser integriert, als der Dieselbus

         steigungsreiche Linien

Kurz nach Lancierung des Programms allerdings mussten die Verkehrsbetrieb Grenoble feststellen, dass die Betriebskosten des Trolleybusses pro Kilometer und Fahrzeug 5 % über denjenigen des Autobusses lagen, unter Einbezug der Infrastruktur ergaben sich sogar Mehrkosten von 9 %. In Grenoble wurde in der Folge der Aufbau eines modernen Tramnetzes vorangetrieben und die letzten Trolleybusse verschwanden 1999. Auch die drei Duobuslinien in Nancy wurden im Jahre 2000 bei einer Umstrukturierung des Liniennetzes eingestellt. Gleichzeitig nahm aber das „Tram sur pneu“ von Bombardier auf einem ersten Abschnitt den Versuchsbetrieb auf. Es handelt sich dabei um einen an einer Mittelschiene geführten, 25 Meter langen Trolleybus. Zum Einsatz kommen Doppelgelenkfahrzeuge. Diese Mischform aus Tram und Trolleybus wurde gewählt, weil auf den geplanten Strecken teilweise sehr starke Steigungen von bis zu 130 ‰ zu bewältigen sind, wozu sich die Lösung „Gummi auf Asphalt“ anerbot, hingegen wollte man auf den Abschnitten mit Eigentrassee nicht auf die erhöhte Leistungsfähigkeit von spurgeführten Fahrzeugen verzichten. Die gesamte Linie T1 (12 km) wurde schliesslich 2002 eröffnet. Das gesamte Liniennetz wurde abermals überarbeitet und ganz auf die zentrale Ost-West-Achse T1, auf welcher sich tagsüber die Fahrzeuge im 5 Min-Takt folgen, ausgerichtet. An sieben, zentralen Umsteigepunkten entlang der Linie T1 kann auf radiale (Zubringer-)Buslinien umgestiegen werden. Die Struktur des öV-Angebots der Stadt wird dadurch sehr einfach und übersichtlich. Durch die abschnittsweise Eigentrassierung konnte zudem die Fahrzeit auf der Linie T1 markant gesenkt werden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt dabei beachtliche 18.9 km/h. Trotzdem scheint die Realisierung der weiter geplanten Linien T2 und T3 zur Zeit wegen Finanzierungsschwierigkeiten eher unwahrscheinlich.

Ein ähnliches, spurgeführtes Trolleybussystem wird derzeit in Clermont-Ferrand in Betrieb genommen.

1.2.3                Osteuropa und Asien

Etwas anders verlief die Entwicklung in den osteuropäischen und asiatischen Ländern. Angetrieben durch die relativ hohen Kosten und teilweise auch mangelnde Verfügbarkeit von Mineralölprodukten in diesen Ländern, wurden elektrisch angetriebene Nahverkehrsmittel klar bevorzugt. Diese konnten mit Strom aus billig verfügbarer Kohle betrieben werden. Während anfänglich für die Erschliessung der in der Blütezeit des Kommunismus neu errichteten Quartiere und Satellitenstädte fast ausschliesslich auf Trambahnen, häufig auch im Eigentrassee, gesetzt wurde, fand ab den siebziger Jahren das System Trolleybus, wohl im Zuge der nicht mehr uneingeschränkt verfügbaren Finanzmittel, zuerst in Russland und etwas verzögert auch in den kommunistischen Bruderstaaten grosse Verbreitung. Die Konkurrenz der öffentlichen Verkehrsmittel durch das eigene Automobil war lange Zeit überhaupt kein Thema und beginnt sich erst seit der Wende zu manifestieren. Auswirkungen auf den Verkehrssystemmix in den Städten sind in Ermangelung irgendwelcher staatlichen Investitionen in den letzten fünfzehn Jahren noch nicht absehbar.

1.2.4                Nordamerika

Auf dem amerikanischen Kontinent hat der Trolleybus in einigen wenigen Städten überlebt. So z.B. im traditionell umweltfreundlichen Nordwesten, wo Trolleybussysteme in den Städten Seattle (USA) und Vancouver (CA) bestehen. Vancouver hat sich im Jahre 2004 entschieden, seine gesamte aus den 1980er Jahren stammende 244 Einheiten zählende Trolleybusflotte mit modernen Niederflurfahrzeugen von Flyer Industries und Kiepe/Vossloh zu erneuern. Folgende Punkte wurden dabei angeführt:

         bestehende Infrastruktur (Fahrleitung, Unterwerke) im Wert von $ 180 Mio. (Neubau: Zweirichtigungsfahrleitung pro km mit üblichen Weichen und Kreuzungen $ 1 Mio.)

         Energieeffizienz: 12 m-Trolleybus verbraucht 9.84 MJ (oder 2.7 kWh pro km), im Vergleich zu 24.1 MJ eines 12 m-Dieselbusses

         Strom aus Wasserkraft ist ein erneuerbarer Energieträger

         abgasfreie Busse wirken sich positiv auf die Luftqualität (NOx, CO und Feinstaub) von vielbefahrenen Korridoren aus. Gesundheitskosten pro Tonne Schadstoffe werden von TransLink auf $ 75'000 geschätzt. Das ergibt mit Trolleybussen Einsparungen von $ 2.2 Mio. gegenüber konventionellen und $ 1.2 Mio. gegenüber sauberen Dieselbussen pro Mio. gefahrener Kilometer.

         CO2-Ausstoss je nach Art der Stromerzeugung geringer

         Der Trolleybus ist 22-25 dB leiser als ein Dieselbus.

         Trolleybusse haben ein positives Image und werden von den Leuten mit einer höheren öV-Servicequalität gleichgesetzt. Zahlen aus San Francisco zeigen eine 18 % Steigerung des Fahrgastaufkommens auf einer Linie nach deren Umstellung auf Trolleybusbetrieb.

         28 % höhere Betriebskosten, fast 50 % höhere Anschaffungskosten

         Unabhängigkeit der Energiekosten von den Schwankungen des Ölmarkts

         Alternativen wie Gasbusse und Hybridbusse (Diesel-Elektro) weisen zwar einen um 30 % geringeren Schadstoffausstoss als konventionelle Dieselbusse auf, trotzdem ist der Trolleybus mit „zero emission“ vor Ort überlegen.

 

1.2.5                Schweiz

Aktuelle Übersicht Schweizer Trolleybusbetriebe (pdf-File)

Auch in der Schweiz wurde in den 1950er und 60er Jahren in vielen Städten das Tram zugunsten des Bus- und/oder Trolleybusbetriebs aufgeben. Die Gründe sind, ganz ähnlich wie in Deutschland und Frankreich, einerseits bei dem nach dem Krieg überproportional stark wachsenden motorisierten Individualverkehr, welcher die knappen Verkehrsflächen in den Städten in immer grösserem Masse zu beanspruchen beginnt, andererseits im Erneuerungsbedarf der durchschnittlich fünfzigjährigen Traminfrastruktur (Schienen, elektrische Ausrüstung, Fahrzeuge und Depotanlagen) zu suchen. Der Trolleybus kann flexibler auf Behinderungen im Strassenraum und an Knoten reagieren und das zeitgemässe Erscheinungsbild der Busse wirkte gegenüber den dreissig bis vierzigjährigen blechverschalten Holzkisten durchaus attraktiv. Teilweise haben sich auch die Verkehrsströme zwischen 1900 und 1950 derart verändert, dass auf den bestehenden alten Tramlinien schlicht am Markt vorbei produziert wurde. In Fribourg z.B. wurde zwar Anfang der 1950er Jahre eine Erneuerung der Gleise auf dem ältesten Streckenabschnitt vorgenommen, da diese Arbeiten aber mangelhaft ausgeführt wurden, stand Ende der 1950er Jahre das gesamte Streckennetz und der mehrheitlich veraltete Fuhrpark zur Erneuerung an. Gleichzeitig wurden neu entstandene Quartiere durch das Tram nur mangelhaft oder gar nicht erschlossen. Durch die Umstellung auf Trolleybus konnte das Netz den veränderten Bedürfnissen leichter angepasst und bestehende Infrastruktur wie das Tramdepot in Pérolles weiterverwendet werden. Anders als in Deutschland wurde das System Trolleybus in der Schweiz trotz grossen Fortschritten bei den Dieselbussen über mehrere Fahrzeuggenerationen beibehalten und teilweise sogar ausgebaut. Verschiedene Gründe können dafür verantwortlich gemacht werden: Viele Schweizer Städte liegen in coupiertem Gelände. Für die entsprechenden „Berglinien“ (z.B. VBZ Linie 34) waren Dieselgelenkbusse eigentlich bis zur letzten Generation (Mercedes Citaro, Neoplan Centroliner) wegen der zu schwachen Motorisierung nicht zu gebrauchen. Die Entwicklung in Zürich und Basel ist hingegen nicht vom Tramersatz, sondern vielmehr von der Ergänzung des Netzes mit Tangentiallinien getragen. 1939 verkehrte in Zürich der erste Trolleybus, bis 1950 wuchs das Netz auf drei Trolleybuslinien A, B und C mit einer Gesamtlänge von 12.3 km an. Sie ersetzten die drei nachfragestärksten Autobuslinien jener Zeit und halfen den Betrieb mit modernen Grossraumwagen rationeller und schneller abzuwickeln.

         Linie A: Albisriederplatz - Kirche Fluntern (heute Teil der Linie 33)

         Linie B: Utohof - Bucheggplatz (heute Teil der Linie 32)

         Linie C: Klusplatz - Witikon (heute Teil der Linie 34)

Von 1955 bis 1958 wurde in mehreren Etappen auf der ehemaligen Tramlinie 1 und der Überlandtramlinie nach Schlieren der durchgehende Trolleybusbetrieb Burgwies - Schlieren eingeführt, nachdem der Trambetrieb Anfang der 1950er aufgegeben wurde. Bis in die 1970er Jahre gab es nur noch kleine Anpassungen. Mit dem Aufkommen von Umweltschutzüberlegungen bewilligte dann aber die Stadt 1972 die Umstellung von drei wichtigen Autobuslinien 62 (Schwamendingerplatz - Neu Affoltern), 73 (Albisriederplatz - Morgental) und 74 (Bucheggplatz - Furttal) auf Trolleybusbetrieb. Getrieben durch den Ölschock von 1973 wurde deren Realisierung schnell an die Hand genommen, so dass die elektrische Traktion auf den Linien 73 (als Teil der Linie 33) und 74 bereits im Jahre 1975 eingeführt werden konnte. Technische Probleme an der Fahrleitungskreuzung zwischen dem SBB-Wechselstrom und dem Trolleybusgleichstrom in Neu-Affoltern verhinderten die Umstellung der Linie 62. Weitere Ausbauten erfuhr das VBZ-Trolleybusnetz in den 1980er und 90er Jahren mit der Umstellung der Linien 46 (Hauptbahnhof - Rütihof) und 72 (Milchbuck – Triemli) und der Verlängerung der Linie 33 zum Bhf. Tiefenbrunnen.

Der öffentliche Verkehr weist in der Schweiz ein ausgesprochen positives Image auf. Dabei spielt dessen Umweltfreundlichkeit eine entscheidende Rolle. Entsprechend gut passen Trolleybusse in dieses Bild, da sie sowohl leise und komfortabel, als auch absolut abgasfrei unterwegs sind. Auf den meist sehr nachfragestarken Linien macht sich gleichzeitig die gute Beschleunigung trotz voll besetztem und dementsprechend schwerem Fahrzeug besonders positiv bemerkbar. Anhand der VBZ Linie 46 (ehem. Dieselbuslinie 71) lassen sich die drei letzt genannten Punkte exemplarisch aufzeigen. Die Linie verbindet, als zweite Radiale neben der Tramlinie 13, das höher gelegene Höngg schnell und bequem mit dem Stadtzentrum, dabei benutzt sie aber zwischen der Nordstrasse und dem Meierhofplatz eine steigungsreiche und enge, dafür aber direkt verlaufende Wohnstrasse. Mit der Umstellung auf Trolleybusbetrieb konnte die Wohnqualität entlang der Route deutlich gesteigert und die Fahrzeit in die Innenstadt leicht gekürzt werden.

VBZ M O 405 GTZ beim Hegibachplatz VBZ M O 405 GTZ beim Hauptbahnhof

In der neueren Zeit kommen weitere Aspekte hinzu. So lässt sich das Verkehrsmittel Trolleybus relativ gut vermarkten, denn durch die weit herum sichtbare Oberleitung wird jedem sofort klar: hier befindet sich eine gut ausgebaute öV-Linie. Dies schafft eine viel stärkere Verwurzelung in der Bevölkerung als dies eine normale Buslinie, welche ja nur durch ihre Haltestellen sichtbar wird, je erreichen könnte. Zudem ist gemäss Befragungen der VBZ das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste in den Trolleybussen besser als in normalen Bussen, da diese ja durch die Oberleitung wie ein Tram durch die Schienen geführt würden. In jüngster Zeit so dann rücken auch die Treibstoffkosten wieder vermehrt ins Blickfeld der Verkehrsbetriebe. So betonen die VBZ auf ihrer Homepage: „Trolleybusse machen unabhängig von unkalkulierbaren Rohstoffpreisen (der Preis für ein Barrel Rohöl hat sich zuletzt verdoppelt; die Steuerbefreiung für Treibstoffe wird ggf. gestrichen; der Strom in der Schweiz ist hausgemacht und dank hohem Wasserkraftanteil sehr umweltfreundlich).“ Die höheren Anschaffungskosten werden gemäss VBZ durch die längere Lebensdauer der Fahrzeuge mehr als kompensiert.

BVB Neoplan Tb in Habermatten BVB Neoplan Tb in der Allmendstrasse

An der aktuellen politischen Diskussion um die Abschaffung des Trolleybusbetriebs in Basel ist gut zu erkennen, dass sich dank seines positiven Images weite Bevölkerungskreise mit „ihrem“ Trolleybus identifizieren und sich für seine Erhaltung einsetzen.

1.3          Weiterentwicklungen im System Trolleybus

Drei neue technische Entwicklungen erweitern und verschieben das Einsatzfeld des Trolleybusses stark in Richtung des Trams. Erst dadurch gelingt auch wieder eine klare Abgrenzung gegenüber dem Autobus, welcher in den letzten 50 Jahren erhebliche technische Fortschritte im Bereich der Motorisierung gemacht hat und welcher sich anschickte dem Trolleybus als eigenständiges Verkehrsmittel immer mehr den Rang abzulaufen.

1.3.1                Doppelgelenktrolleybus

Durch die Verlängerung des Busses mittels der Einführung eines zusätzlichen Mittelteils mit eigener Achse und Gelenk wird versucht, das Fassungsvermögen des Busses demjenigen eines Trams anzunähern. Die 24 Meter langen Doppelgelenktrolleybusse lighTram von Hess/ Kiepe, welche in Genève zur Zeit in Ablieferung stehen und für Zürich bestellt sind, bieten 62 Sitzplätze und 138 Stehplätze. Zum Vergleich: das VBZ Cobra hat 96 Sitzplätze und 142 Stehplätze. Der Doppelgelenktrolleybus erreicht somit schon fast die Kapazität eines modernen Niederflurtrams. Dank der lenkbaren hintersten Achse verhält sich der dritte Teil gegenüber dem zweiten weitgehend spurtreu und der Einsatz im Stadtgebiet erfährt gegenüber dem normalen Gelenk(trolley)bus in keiner Weise zusätzliche Einschränkungen.

VBZ DGT Versuch Tb 199 in Schlieren VBZ DGT Versuch Tb 199 bei der H Sprecherstrasse

Die VBZ beabsichtigen zukünftig auf der Linie 31 Doppelgelenktrolleybusse einzusetzen. Auf dieser Linie rechnen die VBZ in naher Zukunft mit täglich 38'500 Fahrgästen. Die Spitzenstundenbelastung liegt heute bei 1000 Personen pro Stunde und Richtung. Mit 2000 Personen pro Stunden fällt die Linie 31 somit nachfrageseitig genau in den Marktbereich, welchen Hess und Vossloh/Kiepe mit dem Doppelgelenktrolleybus abzudecken gedenken. Mit den zweihundertplätzigen Fahrzeugen genügt fortan ein 6 Min-Takt zur Abdeckung der Spitzennachfrage, während mit normalen Gelenktrolleybussen die Taktdauer auf 4.5 Minuten hätte verkürzt werden müssen. Bei derart kurzen Taktfolgezeiten steigt natürlich im dichten Stadtverkehr die Gefahr von Pulkbildungen und entsprechend langen Wartezeiten für die Fahrgäste, was durch den Einsatz von Doppelgelenktrolleybussen vermieden werden kann.

1.3.2                Duobus

Eine zweite Entwicklungstendenz geht in Richtung des vermehrten Einsatzes von Duobussen. Diese können sowohl mit elektrischer Energie ab Fahrdraht, als auch mit ihrem zusätzlich eingebauten, leistungsfähigen Dieselmotor auf allen übrigen Strecken verkehren. Erste Versuche mit diesem Doppelsystem gab es bereits in den frühen 1980er Jahren. Neben den Prototypen in Essen (Duobus, Spurbus) wurde in Frankreich eine Serie von 64 Duobussen für den Einsatz in den Städten Nancy, St. Etienne und Grenoble beschafft. In Nancy konnten dank der besseren Traktionseigenschaften von Duobussen im elektrischen Betrieb auf den drei 1982 neu gebildeten Durchmesserlinien, deren Kernstrecken im Innenstadtbereich (20 von 30 Strecken-km) elektrifiziert waren, im Grundtakt gegenüber dem Dieselbetrieb fünf Fahrzeuge eingespart werden, was etwa 9 % entspricht.

In den heutigen Fahrzeugen wird der Antriebsstrang im Gegensatz zu der ersten Fahrzeuggeneration, welche – bei entsprechendem Gewicht – mit zwei eigenständigen Antrieben ausgerüstet waren, nicht mehr getrennt geführt, sondern sowohl der vom Dieselmotor angetriebene Gleichstromgenerator, als auch der aus der Fahrleitung direkt bezogene Gleichstrom arbeiten beide auf den gleichen Pulsumrichter, welcher wiederum die Asynchronfahrmotoren speist. Für das Bordnetz der Hilfsbetriebe steht, wie in jedem modernen Bahnfahrzeug, ein eigener Bordnetzumrichter zur Verfügung.Solche moderne Duobusse wurden von Hess/ Kiepe kürzlich nach Fribourg (TPF) geliefert. Mit diesen Bussen und automatischen Einbügelstellen wurde es möglich, die Linien unter Beibehaltung des abgasfreien elektrischen Betriebs im Innenstadtbereich ganz ohne teuere Infrastrukturanpassungen den veränderten Kundenbedürfnissen anzupassen und in die Aussenquartiere zu verlängern.

1.3.3                Antriebs- und Bremsausrüstung

Die dritte Neuerung auf dem Gebiet der Trolleybusse ist bei der Antriebsausrüstung im Innern der Fahrzeuge zu finden. Mit der Verbreitung von Asynchronfahrmotoren mit den zugehörigen Umrichtern bei den Schienenbahnen wurde es auch bei ab Gleichstromfahrleitung versorgten Fahrzeugen üblich, die beim Bremsen des Fahrzeugs anfallende Energie zu rekuperieren. Der Trolleybus kann von dieser Neuerung in mehrfacher Hinsicht profitieren. Einerseits lassen sich die Kosten durch die Verwendung von standardisierten Umrichterkomponenten senken, andererseits ermöglicht die hohe Leistungsdichte bei kleinem Einbauvolumen eine Gewichtsreduktion und eine freizügige, den Fahrgastbedürfnissen angepasste Fahrzeuggestaltung. Schliesslich verbessert sich durch die Rekuperationsbremse die Umweltbilanz des Trolleybusses im städtischen Nahverkehr mit vielen Geschwindigkeitswechseln nochmals ganz erheblich. Für den Fahrgast aber am entscheidensten ist das völlig ruckfreie Anfahren und Bremsen.

1.3.4                Ausblick

Diese durchwegs positiven Entwicklungen auf ganz unterschiedlichen Gebieten der Trolleybustechnologie lassen dessen weitere Verwendung in der Zukunft in einem günstigen Licht erscheinen. In den letzten Jahren hat sich in mehreren Ländern eine Trendwende hin zur Erhaltung von Trolleybussystemen und teilweise sogar deren weiteren Ausbau vollzogen. Zusammen mit Weiterentwicklungen von Zwischenformen zwischen Tram und Trolleybus, wie das erwähnte lighTram von Hess, ergeben sich im Stadtverkehr neue Anwendungsmöglichkeiten für elektrisch betriebene Nahverkehrsmittel, welche auf die jeweiligen Bedürfnisse der Städte massgeschneidert sind. Neben dem Umweltschutzgedanken (Erhaltung der Lebensqualität in den Städten) treten heute bei der Entscheidungsfindung auch die stabilen und gut kalkulierbaren Energiekosten des Trolleybusses immer stärker in den Vordergrund.

Jüngstes Beispiel für diese positive Entwicklung ist die italienische Stadt Lecce, welche in Kürze ein komplett neues Trolleybussystem mit zwei Linien von gesamthaft 17.7 km Länge in Betrieb nehmen wird.

2             Einsatzgebiete

2.1          Ländervergleich

Trolleybus Ländervergleich

Trolleybusse kommen typischerweise in Mittelstädten mit einer Einwohnerzahl zwischen 200'000 und 500'000 Personen zur Anwendung. In den Städten, welche auf den Trolleybus als Hauptverkehrsmittel setzen, sind auf den wichtigsten Achsen Verkehrsstromstärken anzutreffen, welche zwar aufgrund der Flächenausdehnung der Städte nach einer zumindest teilweise eigenen Infrastruktur mit verkürzten Fahrzeiten verlangen, jedoch für eine vollständige Eigentrassierung mit modernen Schienennahverkehrsmittel zu schwach sind. Vielfach sind es alte Tramstädte, welche ihre Traminfrastruktur der ersten Generation nach dem zweiten Weltkrieg zu Gunsten des Trolleybusses aufgegeben haben. Jedoch finden sich auch viele Beispiele vor allem in den ehemaligen Ostblockstaaten, wo der Trolleybus in den späteren Jahren das Tramnetz um weitere Achsen ergänzt hat. Auffällig beim Ländervergleich sind einerseits die alten Trolleybusbetriebe in Nordamerika und auf der anderen Seite die relativ jungen in Osteuropa. Während sich der Trolleybus in Amerika nur in ganz wenigen, vom Umweltschutz überzeugten Städten des Nordwestens, welche auch bereit waren, mehr Mittel in den öffentlichen Verkehr zu investieren, halten konnte, wurde er in Osteuropa überall aktiv gefördert und fand wie z.B. in Bulgarien eine flächendeckende Verbreitung in allen Städten des Landes. Dadurch konnten natürlich die Stückkosten der Fahrzeuge und der ganzen Ausrüstung massiv gesenkt werden und zwischen den einzelnen Verkehrsbetrieben des Landes entstanden durch die einheitliche Fahrzeugflotte vermehrt Synergien bei der Wartung und Instandhaltung.

Trolleybus weltweiter Vergleich

In China wurden und werden Trolleybusse auch in grossen und grössten Städten als Mittenverteiler eingesetzt. Es ist zweifelhaft, ob in den Megastädten des Reichs der Mitte der Einsatz des Trolleybusses auf den Hauptlinien noch wesensgerecht ist. Shanghai mit seinen 9'000'000 Einwohnern besitzt zwar seit 1914 ein Trolleybusnetz, hingegen wurde der Aufbau eines U-Bahnnetzes erst 1995 in Angriff genommen. Da die mangelnde Leistungsfähigkeit der Trolleybusse auf den fast immer verstopften Strassen als Problem erkannt wurde, wird nun seit kurzem der Bau eines Tramnetzes zum Ersatz der Trolleybusse auf den wichtigsten Linien vorangetrieben.

3             Systementscheid Trolleybus

Zusammenfassend können bei einem Systementscheid die folgenden Einflussgrössen herangezogen werden. Deren Gewichtung muss aber von Fall zu Fall separat erfolgen und dabei sind die Gegebenheiten der Stadt oder der Region unbedingt miteinbeziehen.

3.1          Trolleybus gegenüber Autobus

3.1.1                Vorteile

         abgasfrei (keine Schadstoffe, Feinstaub, weniger CO2)

         weniger Lärm innen und aussen (bis 22 dB gegenüber Dieselbus)

         bessere Energiebilanz (Rekuperation)

         bessere Traktion (Beschleunigung, Bergstrecken)

         ruckfreies Anfahren und Bremsen dank Umrichtertechnik

         längere Lebensdauer des Fahrzeugs

         gut erkennbare Linienführung

         man kann zeigen, dass man etwas für den öV tut (umweltfreundliches Image, tendenziell höhere Fahrgastzahlen)

         Energiekosten unabhängig vom Ölmarkt

3.1.2                Nachteile

         Anschaffungskosten 50-60 % höher

         wenig standartisierte Konstruktionen, kein Kauf ab der Stange möglich

         zusätzliche Infrastruktur erforderlich (Oberleitung und Gleichrichter)

         komplizierter und teurer (Mehrkosten von 25-30 %) im Unterhalt

         langfristige Bindung an eine bestimmte Linienführung und einen Fahrzeugtyp

3.2          Trolleybus gegenüber Tram

3.2.1                Vorteile

         billiger in Anschaffung und Unterhalt

         flexibler im täglichen Betrieb bei Störungen und Umleitungen (seitliches Ausschwenken +/- 4.5 Meter und Hilfsdieselmotor)

         einfachere und billigere Infrastrukturausbauten (nur Oberleitung)

         annähernd gleiche Kapazität des Einzelfahrzeugs (DoppelgelenkTB vs. Cobra)

3.2.2                Nachteile

         weniger komfortabel

         nicht kuppelbar

         Behinderung durch Strassenverkehr, weniger schnell, sofern keine separate Busspur vorhanden ist.

 

Text und Bilder © 2006 Salem Blum, ETH Zürich


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